Proteine sind ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung. Um den Proteinstoffwechsel zu verstehen, bedarf es gewisser Basiskenntnisse: Protein ist Eiweiß, der Baustoff unseres Körpers schlechthin. Die Einzelbausteine eines Proteins nennt man Aminosäuren (AS). Es gibt 20 Aminosäuren, von denen 8 essentiell sind. Das bedeutet, dass sie nicht durch körpereigene Biosynthese erzeugt werden können und somit unbedingt mit der Nahrung aufgenommen werden müssen. Obwohl nur 20 AS am Aufbau der Körperproteine beteiligt sind, unterscheiden sich die Proteine von Mensch zu Mensch und sogar von Organ zu Organ.
Strukturell kann man aliphatische AS, zu denen auch die verzweigtkettigen AS (BCAA) gehören, von aromatischen AS unterscheiden. Funktionell unterscheidet man die glukoplastischen AS, die in Glukose umgewandelt werden können (Glukoneogenese), von den ketoplastischen AS, die in Ketonkörper umwandelbar sind. Mittlerweile haben Proteine in verschiedensten Formen ihren Weg in unsere Nahrung gefunden. Laut einer Studie des Jahres 2018 stieg zwischen 2013 und 2017 das Angebot an proteinreichen Produkten um 62,7 Prozent an. Dadurch verzeichnet es unter allen anderen Lebensmitteltrends mit deutlichem Abstand den größten Zuwachs über die Jahre. Was sollte man jedoch wissen, bevor man seinem Körper verstärkt Proteine zuführt?
Proteinstoffwechsel in wenigen Minuten !
Die Proteinverdauung beginnt im sauren Milieu des Magens. Die im Magensaft inaktiven Enzymvorstufen, die für die Verdauung von Proteinen zuständig sind (Pepsinogene), werden unter Einwirkung der Salzsäure bei einem pH-Wert von 2 – 4 in das aktive Verdauungsenzym Pepsin umgewandelt. Diese endogene Protease spaltet die Nahrungsproteine in längere Bruchstücke (Polypeptide und Oligopeptide).
Der Eiweiß-teilverdaute Speisebrei wird aus dem Magen in regelmäßigen Abständen portionsweise in den Dünndarm weitergeleitet, wo die Verdauung durch die alkalischen Enzyme der Bauchspeicheldrüse vervollständigt wird. Die im Magen entstandenen Poly- und Oligopeptide werden dort durch die Enzyme Trypsin und Chymotrypsin weiter aufgespaltet. Die aufgeschlüsselten Nährstoffe in Form von freien Aminosäuren, Di- und Tripeptiden können nun von der Dünndarmwand resorbiert werden. Dieser Vorgang ist für tierische Proteine nach ca. drei Stunden abgeschlossen, pflanzliche Proteine brauchen etwas länger, da sie nicht so leicht beziehungsweise schnell resorbiert werden können wie tierische.
Auch wenn der Großteil der Verdauungs- und Resorptionsarbeit von Proteinen nur drei Stunden dauert, heißt das nicht, dass man alle drei Stunden Protein zuführen muss. Durch den ständigen Auf– und Abbau von Proteinen besteht – unabhängig von der Nahrungszufuhr – trotzdem immer ein gleichmäßiger Blutspiegel an AS, der die Versorgung der Muskulatur und anderer Körpergewebe gewährleistet. Der Mensch ist ein “postprandiales Wesen“ (post=nach, prandial=das Essen betreffend bzw. während der Mahlzeit). Auch die übliche Nachtruhe ist zu kurz, um ein “Aushungern“ des Organismus zu bewirken – es sei denn man folgt einer extremen katabolen Stoffwechselsituation wie der “Nulldiät“ oder dem “Heilfasten“.
Unter normalen physiologischen Bedingungen wird Muskeleiweiß nicht zur Energiegewinnung herangezogen. Mit anderen Worten, die Befürchtung vieler Sportler, ihre aufgebaute Muskelmasse wieder zu “verlieren“, wenn sie nicht Proteine im Übermaß konsumieren, ist unbegründet. Im Gegenteil, gerade in der Zeit zwischen den Trainingseinheiten, also in der Regenerationsphase, erfolgt die Kompensation der während eines intensiven Trainings vorübergehend katabolen Stoffwechselsituation. Durch die kompensierende anabole Reaktion erfolgt eine Proteinneusynthese und somit Muskelaufbau, der auch bei „konventioneller“ Nahrungszufuhr gewährleistet wird.
Das Blut transportiert die AS zwischen den einzelnen Organen. Dabei wird der unregelmäßige, “stoßartige“ Aminosäuren-Zustrom nach der Nahrungsaufnahme durch Regulationsmechanismen ausgeglichen, sodass immer ein gleichmäßiger Blutspiegel an Aminosäuren resultiert. Das Zentrum für diese Regulation ist die Leber, die Schwankungen der Aminosäuren-Konzentration im Blut mittels Abbau und Umbau von Aminosäuren sowie durch Proteinsynthese ausgleicht.
Der Proteinstoffwechsel wird durch die aktuelle Verfügbarkeit von Aminosäuren und durch hormonelle Regelkreise geregelt. Die Leber gibt v.a. verzweigtkettige Aminosäuren (Valin, Leucin, Isoleucin) ab, die sich dann in der Skelett- und Herzmuskulatur sowie im Gehirn und der Niere anreichern. Damit wird ersichtlich, dass die verzweigtkettigen AS eine große Bedeutung für den Muskelstoffwechsel haben. An der Regulation des absorptiven und postabsorptiven Aminosäureflusses sind die Peptidhormone Insulin und Glucagon beteiligt. Manche Aminosäuren, vor allem Arginin und die verzweigtkettigen AS, stimulieren die Insulinsekretion.
Andere Aminosäuren wie Asparagin, Glycin, Serin und Cystein stimulieren die Sekretion von Glucagon. Insulin fördert die Aufnahme von Aminosäuren in die Muskelzellen und damit die Muskelproteinsynthese. Glucagon hingegen fördert die Aufnahme in die Leber und stimuliert die Gluconeogenese. Beide Hormone verhindern somit einen übermäßigen Anstieg der Plasma-Aminosäuren nach ihrer Resorption, wodurch unnötige Verluste über den Harn vermieden werden.
Die mit der Nahrung aufgenommenen Proteine werden im Verdauungstrakt aufgespalten und in Form von freien AS resorbiert, also in den Blutkreislauf aufgenommen und gelangen in weiterer Folge in interstitielle (Bindegewebe) und intrazelluläre Speicher. Nur 0.05% aller im Körper vorkommenden Aminosäuren liegen in freier Form vor.
In den Zellen liegt eine viel höhere Konzentration an Aminosäuren als im Plasma vor. Die höchste Konzentration von z.B. Glutamin findet sich in den Muskelzellen. Die Zusammensetzung der freien AS in den verschiedenen Geweben ist unterschiedlich. Darüber hinaus variiert die Zusammensetzung des AS-Pools als auch die Konzentration einzelner Aminosäuren von Spezies zu Spezies. Deshalb ist es auch nicht sinnvoll, Studiendaten aus Tierversuchen auf den Menschen zu übertragen. Die Skelettmuskulatur ist das größte Reservoir für Aminosäuren. 70-80% des Aminosäure-Pools befinden sich in der Muskulatur, während die freien Aminosäuren im Blut nur einen geringen Anteil am Gesamtpool haben. Nicht nur die Ernährung, auch Alter, Geschlecht sowie Krankheit sind Faktoren, die die Zusammensetzung des Aminosäure-Pools beeinflussen.
Unter Proteinumsatz versteht man sowohl die Bildung als auch den Abbau von Proteinen. Normalerweise besteht ein “steady state“, also ein Fließgleichgewicht und die Syntheserate hält der Abbaurate die Waage.
Gehen wir von einem ca. 70 kg schweren Mensch aus, der eine Proteinmenge von ca. 100 Gramm Protein pro Tag zuführt. Zu den 100 Gramm Nahrungsprotein kommen im Dünndarm ca. 70 Gramm Eiweiß, die den Darmzellen selbst vorerst ausgeschieden werden. Von diesen 170 Gramm Protein werden ca. 160 Gramm an späterer Stelle im Darm wiederresorbiert, der kleine Rest wird mit dem Stuhl ausgeschieden.
Der durchschnittliche Umsatz (turnover) an Körperprotein beträgt 300 – 400 Gramm pro Tag. Die Differenz zwischen Proteinzufuhr und -umsatz beweist die Wiederverwertung der im Proteinstoffwechsel freigewordenen Aminosäuren. Der hohe Proteinumsatz wird vor allem von der täglichen Erneuerung der Zellen der Darmschleimhaut, dem Muskelstoffwechsel, dem Ab– und Aufbau von Plasmaproteinen sowie auch von der Bildung von Hämoglobin und der weißen Blutkörperchen (Immunabwehr) bestimmt. Das häufigste „Blutprotein“ Albumin kann zur Beurteilung einer Unterernährung herangezogen werden.
Der Proteinstoffwechsel ist natürlich auch von den im Aminosäure-Pool verfügbaren Aminosäuren abhängig. Theoretisch sind hier immer ausreichend freie Aminosäuren für eine 8-stündige, normal ablaufende Proteinsynthese vorhanden. In Realität allerdings bestehen Unterschiede in der Verfügbarkeit einzelner Aminosäuren, die bei der Berechnung des wahren Protein-Turnovers berücksichtigt werden müssen. Die stets limitiert verfügbaren Aminosäuren in den Zellen sind die verzweigtkettigen und die aromatischen AS.
Im Bodybuilding spielt der Muskelmasseaufbau die entscheidende Rolle. Darüber hinaus ist die Furcht vor einem Muskelmasseverlust ständig gegenwärtig und etablierte die Überzeugung, man benötige für eine Muskelhypertrophie 3 bis 4 Gramm Eiweiß pro kg Körpergewicht. Eine so hohe Proteinzufuhr ist jedoch sogar kontraproduktiv. Abgesehen vom damit verbundenen Energiegehalt, der wie grundsätzlich jede übermäßige Zufuhr eines Makronährstoffes eine über den Bedarf hinausgehende Energiezufuhr bedeutet und damit eine Zunahme des Körperfettanteils begünstigt, wird zusätzlich eine leistungsmindernde Hyperammoniämie induziert, die endogene Glutaminsynthese reduziert und darüberhinaus die Entwicklung einer zellulären Insulinresistenz riskiert. Man sollte wissen, dass eine Mehrzufuhr an Protein automatisch eine gesteigerte Oxidation von Aminosäuren bewirkt und diese damit nicht – wie gewünscht – dem Baustoffwechsel, sondern der Ausscheidung zur Verfügung stehen.
Der Mindestbedarf an Protein kann geschätzt werden, indem die gesamten Stickstoffverluste während einer proteinfreien Diät gemessen werden. Es wird angenommen, dass diese Verluste dem Bedarf entsprechen. Dabei gehen die Faktoren des obligatorischen täglichen Stickstoffverlustes (Harn: 37mg/kg, Stuhl: 12mg/kg, Haut 5-8mg/kg, sowie andere kleine Verluste) in die Berechnung mit ein.
Insgesamt ergibt sich ein täglicher Verlust von 54mg Stickstoff bzw. 340mg Protein pro kg Körpergewicht. Entsprechend der 1985 von der WHO vorgeschlagenen 30%igen Erhöhung der Proteinzufuhr errechnet sich somit eine Mindestmenge von 450mg, also 0.45 Gramm pro kg Körpergewicht. Diese Empfehlung wird heute von den meisten nationalen und internationalen Kommissionen bestätigt.
1985 wurde von der WHO der Begriff des “safe intake“ geprägt, also die Sicherung einer ausreichenden Versorgung mit Aminosäuren, nachdem in Studien die Mindestmenge eines hochwertigen Proteins zur Erhaltung einer ausgeglichenen Stickstoffbilanz direkt ermittelt wurde. Sie betrug für den jungen Erwachsenen 0.6g/kg Körpergewicht. Durch einen “Sicherheitszuschlag“, der individuelle Schwankungen ausgleichen sollte, erhöht sich der “safe intake“ auf 0.75g/kg. Auch für alle anderen Altersstufen wurden auf diese Weise der Mindestbedarf an Protein festgelegt. Den höchsten Proteinbedarf hat ein Säugling im ersten Lebensmonat mit 2.4g/kg. Mit zunehmendem Alter verringert sich der Proteinbedarf, wobei der Bedarf älterer Menschen noch nicht ausreichend erforscht ist.
Erwachsene verlieren zwischen dem 25. und 65. Lebensjahr ca. 20% ihres Körperproteins, das entspricht dem Verlust von ca. einem Prozent der bestehenden Muskelmasse pro Jahr. Ob sich durch Proteinzufuhr der Alterungsprozess verlangsamen lässt, ist noch unklar.
Eines steht jedoch fest: Ein Abbau von Muskelmasse kann mittels regelmäßiger körperlicher Aktivität und v.a. durch Krafttraining (eine Einheit pro Woche genügt für diesen Zweck) verhindert werden, selbst in höherem Alter. Für einen Aufbau von Muskelmasse genügt bereits eine Proteinzufuhr von 1.2g/kg. Entscheidend ist letztlich der Trainingsreiz und nicht die Ernährung.
Nährstoffanalysen und Nährwerttabellen geben den Proteingehalt in Gramm pro 100 Gramm Nahrungsmittel an. Daraus lässt sich auch der Energiegehalt des Proteinanteils bezogen auf den Gesamtenergiegehalt des Nahrungsmittels errechnen (1 Gramm Protein liefert ca. 4.2 kcal). Eine ausgewogene Ernährung sollte 15% der Energie in Form von Protein liefern. Allerdings sagt die Angabe des Proteinanteils eines Nahrungsmittels allein nichts über dessen Qualität aus.
Die biologische Wertigkeit wurde früher so definiert, wieviel Gramm Körpereiweiß durch 100 Gramm Nahrungsprotein aufgebaut werden kann. Anders ausgedrückt, wieviel vom resorbierten Protein im Körper “behalten“ wird. Wenn man die Verdaulichkeit außer Acht lässt, misst man also das zurückbehaltene Protein im Verhältnis zum verzehrten Protein. Diesen Index nennt man NPU = “net protein utilization“. Eiprotein dient als Referenzprotein und hat die biologische Wertigkeit von 100, gefolgt von Milch und Fleisch usw. Tierisches Protein ist im Allgemeinen biologisch hochwertiger als pflanzliches, weil es in der Regel mehr essentielle Aminosäuren enthält. Eine Steigerung der biologischen Wertigkeit über 100 ist durch Kombination von Nahrungsmitteln möglich (klassisches Beispiel: Ei plus Kartoffel, siehe die Tabelle unten) .
Nahrungsmittel | Biologische Wertigkeit |
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100 |
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75-90 |
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70-90 |
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70-90 |
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75-85 |
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50-70 |
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50-70 |
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40-50 |
Lebensmittelkombination | Biologische Wertigkeit |
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136 |
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125 |
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124 |
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123 |
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119 |
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114 |
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114 |
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114 |
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109 |
Quelle: Clark, H.E., Malzer, J.L., Onderka, H.M., Howe, J.M. and Moon, W. (1973). Nitrogen balances of adult human subjects fed combinations of wheat, beans, corn, milk, and rice. Am. J. Clin. Nutr., 26, 702-706
Die Endprodukte des Proteinstoffwechsels werden mit dem Urin ausgeschieden. Im Urin wären dies vor allem Harnstoff, aber auch Kreatinin, Ammoniak und Harnsäure. Bei einer verminderten Proteinaufnahme verringert sich auch die Harnstoffmenge im Urin. Nicht resorbierbares Nahrungseiweiß und ein kleiner Teil der in den Darm sezernierten Proteine werden mit dem Stuhl eliminiert. Auch mit Hautpartikeln, Haaren, Sperma und Menstruationsblut verliert der Körper geringe Mengen an Eiweiß.
Text-Quellen:
(1) “Ernährungsmedizin“, Thieme
(2) Amboss – Fachwissen für Mediziner: Aminosäuren und Proteine
(3) Amboss – Fachwissen für Mediziner: Aminosäurenstoffwechsel
(4) Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.
(5) dockcheck.dee: Proteinstoffwechsel
(6) dockcheck.de: Phenylketonurie
(7) Jordan M. Joy u.a. (2013): The effects of 8 weeks of whey or rice protein supplementation on body composition and exercise performance. Nutrition Journal, 12: 86.
(8) Solon-Biet u. a. (2019): Branched chain amino acids impact health and lifespan indirectly via amino acid balance and appetite control. Nature metabolism, 1(5):532-545.
(9) Song (2016): Association of Animal and Plant Protein Intake With All-Cause and Cause-Specific Mortality. JAMA Internal Medicine, 1;176(10):1453-1463
Bild-Quelle:
(10) https://www.freepik.com/free-photo/breakfast-with-egg-bacon-tomatoes-high-angle_12494024.htm#page=3&query=egg+breakfast&position=26