Die Verdauung einzelner Nährstoffe in unserem Verdauungstrakt haben wir bereits kennengelernt – doch was passiert mit den einzelnen Nährstoffen, die aus der Nahrung aufgenommen wurden? Die eigentliche Verwertung und Energiegewinnung findet nämlich dort statt, wo sie unserem freien Auge nicht mehr zugänglich ist: auf zellulärer Ebene. Alle Nährstoffe, die in unserem Verdauungstrakt in kleinste Teilchen zerlegt und aufgenommen wurden, werden in Kreisläufe eingeschleust, die wie Zahnräder ineinanderlaufen und in einer einzigen, besonderen Kette enden, die ihr im heutigen Artikel kennenlernen werdet.
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Die Natur und ihre Lebewesen funktionieren aufgrund exakt aufeinander abgestimmter Vorgänge. Hier ein kleines Bespiel: bei der Aufnahme von Kohlendioxid (CO2) aus der Luft und Wasser (H2O) aus der Erde, können Pflanzen in ihren Chloroplasten mit Hilfe von Chlorophyll und Sonnenlicht Glucose (Traubenzucker) bilden. Dieser Vorgang geschieht unter Abgabe von Sauerstoff (O2), welcher vom Menschen wiederum zum Leben benötigt wird. Nimmt der Mensch Kohlenhydrate aus Pflanzen auf, werden diese unter Sauerstoffaufnahme wieder zu Kohlenstoffdioxid und Wasser gespalten. Und der Kreislauf beginnt von vorne. Ein Kreislauf ist ein Geben und Nehmen, und läuft nur ab, solange sich alle Kreislaufteilnehmer an dieses Prinzip halten.
Wie wir bereits besprochen haben, werden Kohlenhydrate über die Nahrung aufgenommen und in ihre Einfachzucker zerlegt. Diese gelangen über das Blut zu den verschiedenen Organen. Kurz und knapp wird Glucose zu Kohlenstoffdioxid und Wasser abgebaut, und die dabei freiwerdende Energie wird von den Zellen des Gehirns oder des Muskels genutzt. Doch hierzu später mehr. Es gibt Zellen, die ihre Energie nur als Glucose gewinnen können – wie zum Beispiel die roten Blutkörperchen. Sie besitzen keine Zellorganellen, weshalb die meisten biochemischen Stoffwechselvorgänge in den Erythrozyten nicht stattfinden können. Somit sind sie auf Glucose als Energielieferant angewiesen, andere Gewebe hingegen können auch aus Fettgewebe Energie gewinnen.
Auch wenn die folgend genannten Stoffwechselwege und deren Namen auf den ersten Blick sehr komplex und kompliziert zu sein scheinen, sind sie eigentlich ganz einfach. Sie alle – Glykolyse (“Verbrennung“ von Kohlenhydraten), β-Oxidation („Verbrennung“ von Fetten) und die Ketogenese (Bereitstellung von Ketonkörpern, wenn nicht genügend Kohlenhydrate vorhanden sind) münden in einen zentralen Stoffwechselkreis – Citratzyklus – dessen Produkte die lebensnotwendige Atmungskette am Laufen hält. Doch Achtung: es besteht prinzipiell immer ein “Nebeneinander“ oder „Überlappen“ der einzelnen Stoffwechselvorgänge der Energiebereitstellung und kein “Nacheinander“, wie vielfach geglaubt wird.
In der Glykolyse wird aus Kohlenhydraten in der Nahrung (Glucose) sowie aus den körpereigenen Glykogenreserven in Leber und Muskeln Energie bereitgestellt. Sie findet im Zytoplasma (Zellflüssigkeit) jeder Körperzelle statt. Endprodukt der Glykolyse ist das Pyruvat. Der Abbau von Glukose zu Pyruvat kann im Organismus unter aeroben und anaeroben Bedingungen ablaufen (d.h. unter Anwesenheit von Sauerstoff oder ohne). Pyruvat wird unter aeroben Bedingungen (mit Sauerstoff) zu Acetyl-CoA umgewandelt, unter anaeroben Bedingungen zu Lactat. Es kann nur weiterverwertet werden, wenn es in Pyruvat zurückverwandelt wird. Häuft sich Lactat im Gewebe an, kommt es zu einer metabolischen Azidose (“Übersäuerung“), die nicht nur schmerzhaft, sondern letztendlich leistungslimitierend ist, da im sauren Milieu (die Grenze liegt bei einem pH von 7) durch eine Enzymhemmung viele Funktionen – wie im Muskel beispielsweise – die Muskelkontraktion gehemmt wird.
Laktat ist kein “Abfallprodukt“, sondern dient sowohl der Energiespeicherung als auch als Energielieferant. Das in den Blutkreislauf ausgeschwemmte Laktat wird einerseits von der Herzmuskulatur und vom Gehirn zur Energiegewinnung herangezogen, andererseits in der Leber und in unbelasteter Muskulatur über Glukose zu Glykogen aufgebaut. Übrigens: Laktat verursacht zwar kurzes Muskelbrennen, hat jedoch nichts mit der Entstehung eines “Muskelkaters“ zu tun, wie manche immer noch meinen. Deshalb ist es wichtig, nach einer intensiven anaeroben Belastung diese für mehrere Minuten langsam ausklingen zu lassen (Auslaufen, Ausradeln…), da der Laktat- bzw. Säureabbau und damit die muskuläre Erholung wesentlich rascher bewerkstelligt wird als im Falle körperlicher Ruhe (aktive Erholung).
Die β-Oxidation dient dem Körper dazu, in längeren Hungerphasen aus Fettreserven Energie zu gewinnen. Sind die Kohlenhydratspeicher aufgebraucht oder werden zu wenige schnell verfügbare Kohlenhydrate zugeführt, greift der Stoffwechsel auf die Verwertung von Fetten zurück. „Fette“ werden allgemein als Triglyceride im Fettgewebe gespeichert. Im Hungerstoffwechsel oder unter einer längeren körperlichen Belastung werden durch die Enzyme „Lipasen“, Fettsäuren aus den Triglyceriden abgespalten und der β-Oxidation zugeführt. Dieser Prozess findet in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, statt. Da rote Blutkörperchen keine Mitochondrien besitzen, können sie in Hungerzuständen aus Fetten auch keine Energie gewinnen. Auch bei der β-Oxidation entsteht – wie in der aeroben Glykolyse – um jede Verkürzung der Fettsäure (um 2 C-Atome) ein Molekül Acetyl-CoA, welches weiter in den Citratzyklus fließt.
Der Citratzyklus ist der zentralste Stoffwechselweg unseres Körpers. Es handelt sich hierbei um ein komplexes System bestehend aus Abbau– und Synthesereaktionen für Kohlenhydrate, Lipide und Proteine, sowie weiterer Substanzen im menschlichen Organismus. Dieser Mechanismus läuft in den Mitochondrien ab. Zu Beginn des Zyklus wird Acetly-CoA in den Kreislauf eingeschleust, woraufhin in mehreren komplizierten Redox-Reaktionen (Redukation und Oxidation) Elektronen frei werden.
Wozu das Ganze? Durch den Fluss der Elektronen kommt es in der Atmungskette einfach gesagt zu einem Energiefluss und dadurch zur Synthese von ATP – der „Energiewährung“ unseres Körpers. Alle Stoffwechselwege sorgen letztlich also dafür, dass der Elektronenfluss in der Atmungskette aufrechterhalten und die Bildung von ATP gesichert bleibt. Denn ATP ist der Treibstoff all unserer Zellfunktionen. Bei der Glykolyse unter normalen Sauerstoffbedingungen wird beispielsweise aus 1 mol Glukose 38 mol ATP gewonnen. Bei der anaeroben Glykolyse hingegen werden aus dem Abbau von 1 mol Glukose nur 2 mol ATP gewonnen.
Kann der Körper nicht mehr auf Kohlenhydrate als Energiequelle zurückgreifen, wird nur noch wenig Acetyl-CoA gebildet. Es müssen alternative Formen der Energiegewinnung in Kraft gesetzt werden. Durch den Abbau von gespeichertem Fett im Organismus über die β-Oxidation wird ersatzweises Acetyl-CoA freigesetzt. Unter dem Einfluss von Hungerhormonen (wie bsp. Glucagon) werden in der Leber mittels Ketogenese daraus Ketonkörper wie Acetoacetat, β-Hydroxybutyrat und Aceton gebildet. Somit kann zumindest eine gewisse Zeit weiterhin Energie für überlebenswichtige Organe wie Herz und Gehirn bereitgestellt werden.
Was den Umgang mit Energie betrifft, stellen wir sehr hohe Ansprüche an unseren Organismus. Wir wollen in der Lage sein, Energie in verschiedenen Formen und zu verschiedenen Zwecken zu nutzen. Biosyntheseprozesse verlangen nach chemischer Energie, Transportvorgänge von geladenen Teilchen über die Zellmembran nach elektrischer Energie, das Ausüben eines sportlichen Hobbies nach mechanischer Energie. Da wir Energie weder erzeugen noch vernichten können, bleibt als Ausweg nur die Umwandlung der verschiedenen Energieformen ineinander. Eine sehr wichtige Rolle spielt dabei die bereits mehrmals genannte chemische Energieform, die zu Transformationsprozessen genutzt werden kann – das Adenosintriphosphat (ATP) entsteht.
ATP kann Energie in chemischer Form kurzfristig speichern, durch seine Beteiligung an einer Vielzahl von Reaktionen im Organismus kann es seine Energie auf Stoffwechselereignisse übertragen. ATP wird dabei in ADP und Phosphat gespalten. Die dabei freiwerdende Energie liegt bei ungefähr 33 kJ pro Mol ATP (ca. 500 g), sie kann zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden (z.B. zur Muskelkontraktion, d.h. die chemische Energie des ATP wird in mechanische Energie transformiert). Adenosintriphosphat ist die zentrale Substanz und die häufigste Transportform von Energie in unserem Körper, über die in der Zelle Energie übertragen wird (eine Art Energie-Kreditkarte, die im ganzen Körper akzeptiert wird). Pro Tag werden im Körper eines Erwachsenen ca. 80-100 kg ATP synthetisiert (und auch wieder verbraucht).
Text-Quellen:
(1) Hahn A, Ströhle A, Wolters M (2015) Ernährung – Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie, 3. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart
(2) Kapser H (2009) Ernährungsmedizin und Diätetik, 11. Aufl., Elsevier, München
(3) Rehner G, Daniel H (2010) Biochemie der Ernährung, 3. Aufl., Spektrum Verlag, Heidelberg
Bild-Quellen:
(4) Martin W. Reichel
(5) Hahn A. (2016) Lebensmittel und Ernährung. In: Lebensmittelchemie. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-47112-8_1