Sodbrennen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung – Beschwerden, die viele von uns nur zu gut kennen. Bewegungsmuffel leiden häufiger unter Verstopfung, Ausdauersportler meist an Durchfällen oder Magenschmerzen. Neben allen möglichen Hausmittelchen hilft moderate körperliche Bewegung bei vielen dieser Verdauungsbeschwerden – doch oft kann auch der Sport selbst solche Beschwerden auslösen. Wie beeinflusst Bewegung unsere Verdauung wirklich? Was kann Sport bewirken und wie viel Sport ist ideal, um die Verdauung positiv zu beeinflussen?
Die Verdauung ist ein Prozess, der unter Ruhebedingungen abläuft. „Bewegung“ wird als bewusste Aktivierung der Muskulatur betrachtet, die zu kurzfristigen Effekten (für Minuten oder Stunden) führt. „Körperliche Aktivität“ hingegen beschreibt sich wiederholende Übungsperioden, die zu langfristigen Effekten (für Tage, Wochen, Monate oder Jahre) führen. Der Darm ist kein athletisches Organ in dem Sinne, und kann sich auch nicht an trainingsinduzierten Stress gewöhnen – wie beispielsweise unsere Muskulatur.
Wie sich körperliche Bewegung auf den Magen-Darm-Trakt auswirkt, hängt in erster Linie von der Trainingsintensität ab. Auch wenn Sodbrennen, Brustschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe, Seitenstechen und Durchfall bei anstrengenden Sporteinheiten keine Seltenheit sind, gibt es ausreichende Hinweise dafür, dass körperliche Aktivität insgesamt vor Erkrankungen wie dem Gallensteinleiden, Darmausstülpungen (Divertikelerkrankung) und sogar Darmkrebs schützen kann. Auch der unangenehmen Verstopfung (medizinisch Obstipation) kann mit ausreichend Bewegung entgegengewirkt werden.
Welche Mechanismen werden für diese Wirkungen verantwortlich gemacht? Wahrscheinlich sind eine veränderte Darmdurchblutung, Darmbewegungen durch Körperbewegung, neuroendokrine Veränderungen und mechanische Effekte an diesen Effekten beteiligt. Umfragen zufolge leiden 30 bis 50% der Befragten bei anstrengenden Ausdauerläufen an Verdauungsbeschwerden, die oft als Folge von falscher Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme fehlinterpretiert werden. Tatsächlich sind sie lediglich eine physiologische Reaktion des Darms auf die körperliche Anstrengung.
Ist der Körper in Bewegung, wird ein Großteil des Blutflusses weg vom Magen-Darm-Trakt und hin zu den aktiven Muskeln sowie der Lunge umgeleitet. Durch diese Veränderungen der Blutversorgung, der Nervenaktivität, der zirkulierenden Hormone, Botenstoffe und Stoffwechselendprodukte kommt es zur Drosselung der Darmbewegungen sowie der Nährstoff– und Flüssigkeitsaufnahme und –abgabe im Darm. Bei 70% Trainingsintensität fanden Rowell und Kollegen eine 60-70%ige Abnahme der Darmdurchblutung. Bei maximaler Trainingsintensität kann die Darmdurchblutung sogar um 80% reduziert sein.
Eine kritische Blutversorgung des Darmes unter extremen Trainingsbedingungen sowie eine erhöhte Körpertemperatur, Flüssigkeitsmangel, Zucker– und Sauerstoffmangel oder eine Kombination all dieser Faktoren führen dazu, dass Darmzellen nicht mehr adäquat versorgt werden. Durch die mangelnde Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen über das Blut werden Stoffwechselendprodukte aus dem Darm nicht mehr abtransportiert, was zum Absterben dieser Zellen führen kann. Die Abfallprodukte bleiben im Magen und Darm zurück und verursachen dadurch erheblichen Magenreflux, eine reduzierte Nährstoffaufnahme und eine Fehlverdauung durch Störungen der Darmflora. Durch die insgesamt verringerte Darmpassagezeit kann es zu Durchfall, Darmkrämpfen und Stuhldrang kommen.
Auch wenn diese Beschwerden unangenehm sind, sind sie dennoch vorübergehender Natur und beeinträchtigen die Gesundheit des Sportlers nicht langfristig.
Ergebnisse von Feld- und Laborstudien zeigen, dass die Einnahme von ballaststoff-, fett– und proteinreichen Nahrungsmitteln vor dem Sport sowie stark hypertonischen Getränken Magenschmerzen, Erbrechen, Reflux oder Sodbrennen nach dem Sport noch zusätzlich verschlimmern können. Es hat sich gezeigt, dass iso– oder hypotonische Sportgetränke mit Kohlenhydraten für intensive Leistungen ab 45-60 min Dauer diese Verschlechterung nicht hervorrufen und somit besonders sinnvoll sind.
Zielmengen an vor dem Sport konsumierten Kohlenhydraten sollten etwa 30 bis 60 g pro geplanter Stunde Sport betragen, die Trinkmenge sollte gemäß Durst an etwa 0,4 bis 0,8 Liter pro Stunde angepasst werden.
Ein moderates Training führt zu einer weniger dramatischen Abnahme der Darmdurchblutung und ist nachweislich förderlich für die Darmgesundheit. Regelmäßige körperliche Aktivität mit relativ geringer Intensität kann das Darmkrebsrisiko um bis zu 50% reduzieren. Der primäre angenommene Mechanismus besteht darin, dass körperliche Aktivität die Darmpassagezeit reduziert und somit die Kontaktzeit zwischen Darmschleimhaut und den oft schädlichen Stoffen im Speisebrei verkürzt. Vor allem Läufer haben im Gegensatz zu inaktiven Personen ein besseres „Stuhlmuster“ aufzuweisen (weniger fester Stuhl, höhere Frequenz, höheres Stuhlgewicht). Die zugrundeliegenden Mechanismen sind unklar, aber ein günstiger Effekt auf die Dickdarmbewegungen, eine verminderte Durchblutung des Darms, biomechanisches Hüpfen des Darms beim Laufen, Kompression des Dickdarms durch die Bauchmuskulatur und eine erhöhte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme werden als Folge eines erhöhten Energieaufwandes angenommen.
Anderen Mechanismen, die mit einem erhöhten Dickdarmkrebsrisiko einhergehen, wie z.B. eine beeinträchtigte Immunfunktion, eine ungesunde Ernährung (große Mengen Alkohol oder Fett, geringe Mengen an Ballaststoffen) oder ein erhöhter Body-Mass-Index können durch körperliche Aktivität ebenso günstig entgegengewirkt werden.
Zusätzlich kann körperliche Aktivität mäßiger Intensität vor Entzündungen schützen, indem sie Veränderungen in der Aktivität von Makrophagen (Fresszellen), natürlichen Killerzellen und regulierenden Zytokinen induziert. Schwere körperliche Belastung kann jedoch zu einem gegenteiligen Effekt führen: hochintensives Training, insbesondere wenn es nicht proportional zum Trainingsniveau ist, verursacht oxidativen Stress durch die Produktion freier Radikale, Muskelschäden, systemische Entzündungen durch Verringerung der natürlichen Killerzellen, überschießende Immunreaktionen und psychischen Stress sowie Leistungsabfall, Müdigkeit, Schlaflosigkeit und Ängstlichkeit.
Je stärker die Auf- und Abwärtsbewegungen, desto stärker die Auswirkungen auf das Verdauungssystem. Die Effekte auf Magen und Darm sind beim Laufen fast doppelt so stark ausgeprägt als bei anderen Ausdauersportarten wie Radfahren oder Schwimmen.
Die negativen Auswirkungen hochintensiver Trainingseinheiten auf Immunsystem und Verdauung bei Sportlern stellen die Grundlage für die heutige Popularität antioxidantienhaltiger Sportnahrungsergänzungsmittel dar. Eine Schlüsselrolle unter den Antioxidantien spielen die sogenannten Polyphenole (z.B. Beerenextrakte), die häufig in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind. So sind beispielsweise Granatapfelpolyphenole für ihre entzündungshemmende und antiinfektiöse Wirkung bekannt. Antioxidantien stellen die regelrechte Darmflora nach Entzündungsreizen wieder her, indem sie dabei helfen, freie Radikale einzufangen. Spezielle Ergänzungsmittel zu kaufen, ist jedoch unsinnig – frische Beeren oder Tees zeigen die gleiche Wirkung.
Nicht zu vernachlässigen ist der Einfluss von Proteinen auf die Zusammensetzung und Funktionalität der Darmflora. Gerade Athleten sind Mehrfachbelastungen durch regelmäßige, intensive und/oder lange Trainingsroutinen ausgesetzt; um die Proteinsynthese und die daraus resultierenden Anpassungen des Trainings zu fördern, benötigen sie eine angemessene Proteinzufuhr. Proteinquellen mit einer unterschiedlichen Aminosäurezusammensetzung können sich unterschiedlich auf die Darmmikrobiota auswirken. Einige Studien deuten darauf hin, dass pflanzliche Proteine für die Darmbakterien nützlicher sind als tierische Proteine. Proteine sollten vor und nach der Leistung und regelmäßig während des Tages verzehrt werden, um eine effiziente Versorgung mit essentiellen Aminosäuren zu gewährleisten.
Körperliche Bewegung wirkt sich auf verschiedenste Weise auf den Magen-Darm-Trakt aus. Einerseits können bei extremer körperlicher Belastung viele gastrointestinale Symptome auftreten, andererseits verringert tägliche, 30–minütige moderate körperliche Aktivität das Risiko für Verdauungsstörungen und chronische Magen-Darm-Beschwerden. Diese Effekte werden wahrscheinlich durch Veränderungen der Darmdurchblutung und -bewegung, aber auch durch rein mechanische Faktoren und hormonelle Veränderungen vermittelt. Regelmäßige körperliche Bewegung ist die beste Voraussetzung für eine regelmäßige und regelrechte Verdauung – das steht fest.
Text-Quellen:
(1) Blanchard EB, Lackner JM, Jaccard J, Rowell D, Carosella AM, Powell C, Sanders K, Krasner S, Kuhn E. The role of stress in symptom exacerbation among IBS patients. J Psychosom Res. 2008 Feb;64(2):119-28. doi: 10.1016/j.jpsychores.2007.10.010. PMID: 18222125.
(2) Peters HP, De Vries WR, Vanberge-Henegouwen GP, Akkermans LM. Potential benefits and hazards of physical activity and exercise on the gastrointestinal tract. 2001 Mar;48(3):435-9. doi: 10.1136/gut.48.3.435. PMID: 11171839; PMCID: PMC1760153.
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(4) Brouns, Fred & Beckers, E. (1993). Is the gut an athletic organ? Digestion, absorption and exercise. Sports medicine (Auckland, N.Z.). 15. 242-57.
(5) Simrén, Magnus Physical activity and the gastrointestinal tract, European Journal of Gastroenterology & Hepatology: October 2002 – Volume 14 – Issue 10 – p 1053-1056
Bild-Quellen: