Um den Stoffwechsel in Gang zu halten, ist der Organismus auf eine regelmäßige Nahrungsaufnahme angewiesen. Das Hungergefühl signalisiert dem Körper, wann Nahrung benötigt wird, das Sättigungsgefühl hält uns vom Essen ab – doch achten wir heutzutage noch aufmerksam genug darauf? Das Angebot an „fast foods“ – seien es Snacks vom Bäcker, ein Getränk aus dem Automaten oder der Riegel zwischendurch – werden schnell und vor allem schnell im Übermaß konsumiert, ohne zu einer adäquaten Sättigungsreaktion zu führen. „Fast foods“ bewirken, dass der Hunger bei der nächsten Mahlzeit umso größer ist und führen zu einer noch höheren Energieaufnahme. Doch was hält uns nachhaltiger satt?
Sättigung und Sättigungsgefühl sind zentrale Begriffe im Verständnis der Appetitkontrolle. Sättigung tritt während des Essens auf, das Sättigungsgefühl setzt nach dem Essens ein und verhindert weitere Nahrungsaufnahme vor der Rückkehr von Hunger. Die Verbesserung der Sättigung und des Sättigungsgefühls wird als zentrales Mittel der Gewichtskontrolle angesehen. Viele Studien haben die verschiedenen Faktoren untersucht, die potenziell zur Hemmung des Essens beitragen können.
Kontrollierte Ernährungsinterventionsstudien haben gezeigt, dass das Trinken von einfachen energiehaltigen Getränken, die sehr schnell konsumiert werden, nicht zu einer geringeren Aufnahme anderer Lebensmittel führt – also nichts zur Sättigung beiträgt. Eine der Theorien hinter dieser Beobachtung ist, dass schnell aufgenommene Kalorien vom Geschmackssinn nicht gut wahrgenommen werden und zu keiner adäquaten Sättigungsantwort führen. Diese Idee wird durch die Ergebnisse einer Reihe von Studien bestätigt, in denen gezeigt wurde, dass die geringe Sättigungsreaktion von Getränken größtenteils auf ihre kurze Verweildauer im Mund zurückgeführt werden kann. Behält man Essen und Getränke länger im Mund, führt dies nachweislich zu einem früheren Mahlzeitabbruch und einer höheren Sättigungsreaktion. Wie kann das sein? Verschiedene neuere Studien zeigten, dass langsameres Essen zu höheren Spiegeln von Sättigungshormonen führt. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit der Idee, dass der Geschmackssinn ein Nährstoffsensor ist, der das Gehirn und den Darm über den Zufluss von Nährstoffen informiert. Der Geschmackssinn trägt somit zur sättigenden Wirkung von Lebensmitteln bei.
Eine Reihe von Studien zeigte, dass die Magendehnung ein wichtiger Stimulus für die Beendigung einer Mahlzeit ist. Während des Essens wird mittels sogenannten Mechanosensoren das Ausmaß der Magendehnung registriert und ans Gehirn – genauer ans Hunger- und Sättigungszentrum im Hypothalamus – weitergeleitet. Umso höher das Volumen einer Mahlzeit ist, umso stärker dehnt sich die Magenwand. Das Ausmaß der Dehnung ist zwar individuell sehr verschieden, kann durch die verzehrten Nahrungsmengen aber langfristig beeinflusst werden. Fakt ist: bei sehr energiereichen, aber kompakten Speisen verspüren wir nicht das gleiche Sättigungsgefühl wie bei voluminösen, aber energieärmeren Mahlzeiten. Zum Aufnahmestopp weiterer Nahrung kommt es üblicherweise, wenn die Dehnung des Magens etwa 20 % der normalen Größe überschreitet. Ballaststoff– und wasserreiche Lebensmittel wie Gemüse und Hülsenfrüchte, Beerenobst und Zitrusfrüchte sowie Pilze sorgen für ein ausreichendes Volumen.
Das moderne Lebensmittelangebot wird oft von einer großen Vielfalt an energiedichten, weich strukturierten Lebensmitteln dominiert, da sie schneller verzehrt werden können. Viele Studien deuten jedoch darauf hin, dass große Bisse und fehlende Kauaktivität zu einer geringeren Sättigung durch diese Lebensmittel beitragen. Eine Studie aus den Niederlanden konnte zeigen, dass harte Lebensmittel im Vergleich zu energetisch gleichwertigen, weichen Lebensmitteln zu einer verringerten Energieaufnahme führten. Mengenmäßig wurde von harten Lebensmitteln insgesamt 32 % weniger gegessen, als von den weichen. Trotz der geringeren Energieaufnahme fühlten sich alle Probanden der Studie gleich voll, was zeigt, dass Unterschiede in der Härte der Nahrung zu einer anhaltenden Reduzierung der Energieaufnahme im Laufe des Tages führen. Veränderungen in der Beschaffenheit der Lebensmittel könnten also ein hilfreiches Mittel sein, um die tägliche Gesamtenergieaufnahme zu reduzieren.
Forscher konnten zeigen, dass die Sättigung mit der Geschwindigkeit der Magenentleerung verbunden ist. Umso länger der Speisebrei in Magen und Darm verweilt, umso länger hält die Sättigung an. Flüssige Speisen passieren den Magen-Darm-Trakt ziemlich schnell. Das erklärt zumindest in Ansätzen, warum vor allem Softgetränke trotz des teils hohen Energie- und Zuckergehaltes kaum zu einer Sättigung führen. Nahrung, die erst aufgeschlossen werden muss, verweilt hingegen länger im Verdauungstrakt. Die Verdauung der einzelnen Nährstoffe nimmt dabei unterschiedlich viel Zeit in Anspruch. Kohlenhydratreiche Lebensmittel passieren den Magen am schnellsten. Eiweißhaltige Komponenten verweilen etwas länger, während Fette die Magenentleerung am längsten verzögern. Eine flüssige Smoothiebowl mit festen protein– und fetthaltigen Toppings (Erdnussmus, Granola, veganes Proteinpulver etc.) wäre eines der unzähligen Beispiele für ein optimales „consistency food“.
Unterschiedliche Nahrungsmittel sättigen unterschiedlich stark – trotz gleichen Kaloriengehaltes. In einer Untersuchung von Holt et al wurden die Sättigungseigenschaften einer Vielzahl von Nahrungsmitteln im Vergleich zu der Sättigungskraft von weißem Brot (100%) untersucht. Herausragend sind Kartoffeln (323%), Fisch (225%), Haferflocken Porridge (209%) und Vollkornnudeln, Äpfel und Orangen mit knapp 200%.
Für eine optimale Sättigung ist ein kluger Nährstoffmix von Vorteil. Komplexe Kohlenhydrate in Form von Gemüse, Hülsenfrüchten, Beerenobst, Pilzen und Nüssen, die einen langsamen Blutzuckeranstieg und -abfall verursachen, sind in Kombination mit hochwertigen Eiweißen und Fetten zu bevorzugen. Ballaststoffe, also unverdauliche Kohlenhydrate, haben durch ihr Volumen einen mechanischen Sättigungseffekt – sie dehnen den Magen, aber auch den gesamten Dünndarm. Außerdem bilden die Darmbakterien flüchtige Fettsäuren, welche im Dickdarm zur Produktion sättigender Hormone führen.
Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Hülsenfrüchten wird ein besonders hohes Sättigungspotenzial zugeschrieben. So haben Studien gezeigt, dass Energie aus Eiweißen besser sättigt als die Energie aus Kohlenhydraten oder Fett.
Warum, ist noch nicht abschließend erforscht. Es wird vermutet, dass die Menge an zirkulierenden Aminosäuren im Blut das Sättigungszentrum im Gehirn beeinflusst und die Bildung von Sättigungshormonen stimuliert. Bei übergewichtigen Studienteilnehmern bewirkte die Verabreichung einer Mischung von Phenylalanin (3 g), Valin (2 g), Methionin (2 g) und Tryptophan (1 g) eine Herabsetzung der Nahrungsaufnahme um 22 %.
Coffein ist ein sogenanntes Stimulans mit anregender Wirkung auf die Psyche, steigert Antrieb und Konzentration und beseitigt Müdigkeitserscheinungen. Es wird eine anregende von einer erregenden Wirkung des Coffeins unterschieden, wobei für letztere eine höhere Dosis erforderlich ist. Bei niedriger Dosierung tritt fast ausschließlich die anregende Wirkung des Coffeins hervor, es werden also vor allem psychische Grundfunktionen wie Antrieb und Stimmung beeinflusst. Durch eine höhere Dosis kommt es auch zu einer Anregung von Atemzentrum und Kreislauf. Über komplexe Mechanismen führt Coffein so zu einer vermehrten Freisetzung von Zucker aus den Zuckerspeichern der Leber und zur Verstoffwechslung von in Fettzellen gespeicherten Fetten. Coffein mobilisiert also unsere Energiespeicher, sodass wir –wenn auch nur für kurze Zeit – das Gefühl der Sättigung empfinden, da mehr Zucker und Fettsäuren aus den eigenen Energiespeichern in unserem Blut zirkulieren.
Der Konsum von zuckergesüßten Getränken ist eines der Hauptprobleme der weltweiten Fettleibigkeit. Daher ist der Ersatz von Zucker durch kalorienarme Süßstoffe eine wirksame Strategie zur Gewichtskontrolle, ohne auf Süße verzichten zu müssen. Oft wird vermutet, dass durch die „Fakesüße“ dem Körper etwas vorgemacht wird und er umso mehr nach richtigem, energiereichen Zucker verlangt. In einer Studie wurde jedoch gezeigt, dass beim Verzehr von mit Stevia gesüßten Lebensmittelalternativen der „Energiemangel“ jedoch nicht kompensiert wurde, indem in den Folgemahlzeiten mehr gegessen wurde. Im Gegenteil – die Teilnehmer berichteten über ein ähnliches Sättigungsgefühl wie beim Verzehr des zuckerreichen Originals.
Text-Quellen:
(1) Taschenatlas Ernährung (Biesalski HK, Grimm P, Nowitzki-Grimm S; Thieme Verlag 2015)
(2) Ernährungsumschau: Hunger und Sättigung (Langhans, W; Ernährungsumschau 2010)
(3) de Graaf C. Texture and satiation: the role of oro-sensory exposure time. Physiol Behav. 2012 Nov 5;107(4):496-501. doi: 10.1016/j.physbeh.2012.05.008. Epub 2012 May 15. PMID: 22609070.
(4) Forde CG, van Kuijk N, Thaler T, de Graaf C, Martin N. Oral processing characteristics of solid savoury meal components, and relationship with food composition, sensory attributes and expected satiation. Appetite. 2013 Jan;60(1):208-219. doi: 10.1016/j.appet.2012.09.015. Epub 2012 Sep 24. PMID: 23017464.
(5) Bolhuis DP, Forde CG, Cheng Y, Xu H, Martin N, de Graaf C. Slow food: sustained impact of harder foods on the reduction in energy intake over the course of the day. PLoS One. 2014 Apr 2;9(4):e93370. doi: 10.1371/journal.pone.0093370. PMID: 24695412; PMCID: PMC3973680.
(6) Holt SH, Miller JC, Petocz P, Farmakalidis E. A satiety index of common foods.
Eur J Clin Nutr. 1995 Sep;49(9):675-90. PubMed PMID: 7498104.
(7) Peter C. Heinrich, Georg Löffler: Biochemie und Pathobiochemie. 9., vollständig überarbeitete Auflage. Springer, Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-17971-6, S. 470–471.
Bild-Quellen:
(8) https://unsplash.com/photos/-DsFf2weXHc