Unbewusst tun wir es die ganze Zeit – und trotzdem wissen die Wenigsten über ihre Verdauung Bescheid. Auch wenn wir uns oft auf unser „Bauchgefühl“ verlassen, glauben, dass Liebe durch den Magen geht, und uns Ärger oder Stress den Appetit verdirbt, wissen wir doch nicht so genau, wie unsere Verdauung tatsächlich funktioniert. Dabei bildet dieses Wissen die Grundlage für das Verständnis vieler Diäten, Ernährungsweisen und den Weg in ein gesünderes Leben. Was in unserem Bauch passiert, welche Lebensmittel unsere Verdauung und Gesundheit nachhaltig beeinflussen und wie menschliches Verhalten unsere Verdauung beeinflussen kann, ist Thema unseres heutigen Artikels.
Unsere Facts-to-go kurz & knapp für Dich zusammengefasst!
Habt ihr schon überlegt, welchen Sinn es haben könnte, dass uns vor dem Essen das „Wasser im Mund“ zusammenläuft? Unsere Verdauung würde nur halb so gut funktionieren, würden wir uns nicht unterbewusst darauf vorbereiten. Die Verdauung beziehungsweise die Vorbereitungen auf den Verdauungsprozess beginnen nämlich schon, wenn wir nur ans Essen denken. Der Verbindungsweg zwischen Kopf und Verdauungstrakt ist der sogenannte Vagus-Nerv, der reflexartig alle Verdauungsorgane sowie die Speichelproduktion steuert und alle Informationen aus dem Darm zum Gehirn und wieder zurück transportiert. Der Vagus ist der längste unserer zwölf Hirnnerven und verläuft vom Gehirn durch den Hals, erstreckt sich über den Brustraum, spaltet sich in den linken und rechten Vagus und führt zu Herz, Lunge, Magen, Bauchspeicheldrüse, Darm etc. Der Vagus steht also mit allem, was wichtig ist, in unmittelbarer Verbindung. Er kontrolliert den Blutzucker, die Atmung, die Herzfrequenz, die Ausschüttung von Verdauungssäften, Tränenflüssigkeit uvm.
Abgesehen von den großteils unbewussten Verdauungsschritten, ist der Mund als erste Verdauungsstation für die bewusste Erkennung, mechanische Zerkleinerung, Desinfektion und Befeuchtung der Nahrung verantwortlich. Wie bereits in unserem vorherigen Artikel über Verdauungsenzyme erwähnt, enthält der Speichel bereits diverse Enzyme, die Kohlenhydrate in einfachen Zucker zerlegen können. Wer (ungesüßtes) Porridge oder Brot lange genug im Mund behält, wird bemerken, wie viel süßlicher es nach einiger Zeit schmeckt. Darüber hinaus bereitet die ebenfalls im Speichel vorkommende Zungengrundlipase die Nahrungsfette (Triglyzeride) auf die Verdauung im Magen vor. Nicht zuletzt stecken im Speichel auch desinfizierende Substanzen wie Fluoride oder Rhodanidionen.
Nach dem bewussten Schluckakt sorgen unbewusste und wellenförmige Muskelbewegungen der Speiseröhre für den Transport der Nahrung in den Magen. Kommt der Brei unten an, öffnet sich das „Tor“ zum Magen. Dabei handelt es sich um eine ringförmig angeordnete, glatte Muskulatur, die sich zwischen Speiseröhre und Magen befindet. Nachdem die Nahrung vollständig den Magen erreicht hat, verschließt diese Muskulatur den Mageneingang wieder, damit bei der Durchmischung des sauren Mageninhalts nichts zurück in die Speiseröhre schwappen kann. Bei viel Stress und einer geringen Vagus-Nerv-Aktivität werden die Magenbewegungen verlangsamt und der Schließmuskel schlaffer, sodass es zu vermehrtem Völlegefühl, Sodbrennen, einem längeren Verbleiben des Speisebreis im Magen und Aufstoßen kommen kann.
Dass pflanzliche Lebensmittel unsere Verdauung, unser Herz-Kreislaufsystem und unsere Lebenserwartung positiv beeinflussen ist mittlerweile nichts Neues. Beispielhafte wissenschaftliche Evidenz hierzu bringt eine Studie aus Großbritannien, die die Wirkung von Äpfeln klinisch untersucht und charakterisiert hat. Bereits ein achtwöchiger Konsum von zwei Äpfeln täglich konnte den Cholesterinspiegel leicht senken, sowie die Blutgefäßfunktion verbessern. Interessant ist, dass dieser Effekt nur beim Konsum ganzer Äpfel, und nicht von Apfelsaft alleine eingetreten ist. Die in Äpfeln reichlich vorhandenen Polyphenole und Pektin gehen bei der Verarbeitung zu Saftprodukten verloren und enden im Müll. Doch gemeinsam mit den Ballaststoffen scheinen genau diese Stoffe für die cholesterinsenkende Wirkung von Äpfeln bei gesunden Menschen notwendig zu sein. Klarer Apfelsaft ist also kein ratsamer Ersatz für ganze, frische Äpfel.
Der Zwölffingerdarm – die nächste Verdauungsstation – enthält für alle 3 Hauptnahrungsstoffe Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett zerlegende Enzyme. Diese stammen aus dem Verdauungssaft, der von der Bauchspeicheldrüse in den Zwölffingerdarm abgegeben wird. So enthält der Bauchspeichel allein 3 verschiedene Enzyme zur Aufspaltung der Kohlenhydrate bis zu den wasserlöslichen Monosacchariden, zudem das Enzym Trypsin, das die Eiweißstoffe in wasserlösliche Aminosäuren zerlegt, und schließlich noch das Enzym Steapsin, das das in der Nahrung vorhandene Fett in Glyzerin und Fettsäuren spaltet. Glyzerin ist wasserlöslich und kann demnach durch die Darmwand hindurchtreten, die Fettsäuren aber können das nicht so ohne weiteres. Ihnen muss die Gallensäure zu Hilfe kommen, die in der von der Leber gebildeten Galle enthalten ist und mit ihr in den Zwölffingerdarm gelangt.
Durch eine Verbindung der Fett– mit der Gallensäure wird den Fettsäuren die Passage durch die Darmwand ermöglicht. Gleich nach dieser Passage wird diese Koppelung wieder gelöst, die Fettsäuren verbinden sich erneut mit dem Glyzerin, und in den feinen Lymphgefäßen der Darmwand findet man bereits wieder kleine Fetttröpfchen, die nun den Organen als Nahrung zugeführt werden.
Im Dünndarm, der auf den Zwölffingerdarm folgt, sondern bestimmte Drüsen ebenfalls einen Verdauungssaft ab, der nochmals Enzyme enthält, die die bisher noch nicht vollständig aufgeschlossenen Eiweißstoffe zu Aminosäuren und die Kohlenhydrate zu kleinsten, einfachen Zuckern zerlegen.
Im Dickdarm schließlich spalten die dort vorhandenen Bakterien jene Nahrungsbestandteile auf, die noch nicht genügend von den Verdauungsenzymen angegriffen wurden. Die Zellulose – ein Kohlenhydrat, das von den Verdauungssäften kaum verwertet werden kann – wird von den Darmbakterien »vergoren«. Bei dieser Gärung entstehen Gase, sodass es verständlich ist, dass sich bei vorwiegend pflanzlicher Ernährung im Dickdarm auch entsprechend mehr Gase bilden. Eine andere Bakterienart im Dickdarm baut die restlichen Proteine durch Fäulnis ab. Dabei entstehen Produkte, die nicht nur übel riechen, sondern auch giftig wirken können, wenn sie – etwa infolge einer Verstopfung – nicht rechtzeitig aus dem Darm entfernt werden. Im Dickdarm wird dem bis dahin dünnflüssigen Speisebrei schließlich so viel Wasser entzogen, dass der aus unverdaulichen Nahrungsbestandteilen und einer reichlichen Menge Bakterien bestehende Rest die übliche Beschaffenheit des Stuhls erhält – Verdauung beendet!
Text-Quellen:
(1) Herold, Gerd: Innere Medizin 2020. Kapitel “Gastrointestinale Gasbeschwerden” (Eigenverlag, 2019)
(2) Leung, Po Sing: The Gastrointestinal System. Gastrointestinal, Nutritional and Hepatobiliary Physiology. Kapitel 6 “Digestion and Absorption of Carbohydrates and Proteins” (Springer Verlag, 2014)
(4) Blähungen – Meteorismus. Ratgeber für Patienten. (Gastro-Liga) (PDF)
(5) Was gegen Blähungen hilft (Berufsverband Deutscher Internisten)
(6) Koutsos A, Riccadonna S, Ulaszewska MM, et al. Two apples a day lower serum cholesterol and improve cardiometabolic biomarkers in mildly hypercholesterolemic adults: a randomized, controlled, crossover trial. Am J Clin Nutr. 2020;111(2):307-318. doi:10.1093/ajcn/nqz282
Bild-Quellen:
(7) https://www.freepik.com/free-vector/tiny-doctors-checking-treating-large-intestine-isolated-flat-vector-illustration-cartoon-physicians-studying-colon-inflammation-medicine-digestive-system-health-concept_11672008.htm#page=1&query=digestion&position=4