Vom „Dickmacher“ bis zum „Bösewicht Zucker“ – den Kohlenhydraten wird allerhand Negatives nachgesagt, doch gar so schlimm sind sie gar nicht. Wie so oft entscheiden Menge und Zusammensetzung darüber, was sie in unserem Körper bewirken. Kohlenhydrate („Zucker“) versorgen den Körper mit schneller Energie. Sie zählen gemeinsam mit Eiweiß und Fetten zu den wesentlichen Bestandteilen unserer Nahrung. Je nach Lebensmittel lassen Kohlenhydrate den Blutzucker unterschiedlich schnell ansteigen, davon hängt auch ab, wie rasch wir wieder hungrig werden. Bekommt der Körper zu wenig Kohlenhydrate – etwa bei einer low-carb-Diät – so muss er auf die eigenen Nährstoffdepots und Energiegewinnung aus Proteinen und Fetten zurückgreifen.
6 Facts-to-go kurz & knapp für Dich zusammengefasst!
Kohlenhydrate sind unentbehrlich für die Energieversorgung unserer Körperzellen. Sie ermöglichen erst, dass bestimmte Prozesse im Stoffwechsel überhaupt ablaufen. Umgangssprachlich werden Kohlenhydrate als „Zucker“ bezeichnet und bestehen aus unterschiedlichen organischen Bausteinen wie Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoffatomen. Die Familie der Kohlenhydrate umfasst sowohl Einfach– als auch Mehrfachzucker. Glukose und Fruktose sind Beispiele für Einfachzucker, während Stärke, Glykogen und Zellulose Beispiele für Mehrfachzucker sind. Die Mehrfachzucker werden auch als Polysaccharide bezeichnet und bestehen aus mehreren Einfachzuckermolekülen. Polysaccharide dienen als Energiespeicher (z. B. Stärke und Glykogen) und als Strukturbestandteile (z. B. Chitin bei Insekten und Zellulose bei Pflanzen).
Einfache Kohlenhydrate wie Fructose oder Glucose werden sofort in den Blutkreislauf aufgenommen. Sie führen zu einem raschen Anstieg des Blutzuckerspiegels, der aber auch schnell wieder abfällt. Diese Schwankungen machen uns hungrig. Nahrungsmittel mit komplex zusammengesetzten Kohlenhydraten (= Vielfachzucker, Stärke) hingegen, sättigen besser und länger, da sie den Blutzuckerzuckerspiegel langsamer ansteigen lassen.
Während der Verdauung werden Kohlenhydrate in einfache, lösliche Zucker aufgespalten, die durch die Darmwand in den Blutkreislauf transportiert werden können, um im ganzen Körper verteilt zu werden. Die Verdauung der Kohlenhydrate beginnt jedoch bereits im Mund: Beim Kauen der Nahrung setzt der Körper mit dem Speichel das Verdauungsenzym Amylase frei. Dieses spaltet den Mehrfachzucker vorerst in Zweifachzucker. Durch die Magensäure im Magen wird diese Spaltung kurzzeitig unterbrochen und im Dünndarm durch die Verdauungsenzyme der Bauchspeicheldrüse wieder fortgesetzt. Zweifachzucker werden durch Enzyme in der Dünndarmwand schließlich zu Einfachzucker (Glucose, Fructose…) gespalten. Diese kleinsten Einheiten der Kohlenhydrate gelangen nun über die Darmgefäße ins Blut und zur Leber, wo die Hepatozyten (Leberzellen) die Glukose entweder über das Kreislaufsystem wieder „freigeben“ oder überschüssige Glukose als Glykogen speichern. Die Zellen im gesamten Körper können die freie Glukose unter Insulineinfluss aus dem Blut aufnehmen und in Energie umwandeln.
Durch eine Reihe von Reaktionen wird ein Teil der in der Glukose enthaltenen Energie auf ADP übertragen, um ATP zu bilden. Dieser Prozess – die Glykolyse – hat also die Erzeugung von ATP zum Ziel, welches essentiell für die Zellatmung ist. Die Glykolyse kann in zwei Phasen eingeteilt werden: die energieverbrauchende und die energiegewinnende Phase. Die erste Phase ist die energieverbrauchende Phase, daher werden für jedes Molekül Glukose zwei ATP-Moleküle benötigt, um die Reaktion zu starten. Am Ende der Reaktion werden jedoch vier ATP produziert, was zu einem Nettogewinn von zwei ATP-Energiemolekülen führt.
Unter Bedingungen mit niedrigem Glukosespiegel, wie z. B. Fasten, Hungern oder kohlenhydratarme Diäten, kann Glukose aus Laktat, Pyruvat, Glycerin, Alanin oder Glutamat synthetisiert werden. Dieser Prozess, Gluconeogenese genannt, ist fast das Gegenteil der Glykolyse und dient dazu, Glukosemoleküle für glukoseabhängige Organe, wie das Gehirn, zu erzeugen, wenn der Glukosespiegel unter den Normalwert fällt. Gluconeogenese ist die Synthese neuer Glukosemoleküle aus Pyruvat, Laktat, Glycerin oder den Aminosäuren Alanin oder Glutamin. Dieser Prozess findet in erster Linie in der Leber statt, d. h. unter den Bedingungen von Fasten, Hungern und kohlenhydratarmer Ernährung. Es stellt sich also die Frage, warum der Körper etwas herstellt, das er gerade mühsam abgebaut hat?
Bestimmte Schlüsselorgane, einschließlich des Gehirns, können nur Glukose als Energiequelle nutzen; daher ist es wichtig, dass der Körper eine minimale Blutglukosekonzentration aufrechterhält. Wenn die Blutglukosekonzentration unter diesen bestimmten Punkt fällt, wird von der Leber neue Glukose synthetisiert, um die Blutkonzentration auf den Normalwert anzuheben.
Pyruvat – das Endprodukt der Glykolyse – ist ein häufiges Ausgangsmaterial für die Gluconeogenese. Zunächst wird das Pyruvat in Oxalacetat umgewandelt, welches selbst wieder umgewandelt wird. Ab diesem Schritt ist die Gluconeogenese quasi die Umkehrung der Glykolyse. Schließlich entsteht durch eine Reihe von Reaktionen die Glukose selbst. Bei der Gluconeogenese wird (im Vergleich zur Glykolyse) das Enzym Hexokinase durch Glucose-6-Phosphatase und das Enzym Phosphofructokinase-1 durch Fructose-1,6-Bisphosphatase ersetzt. Dies hilft der Zelle, die Glykolyse und die Glukoneogenese unabhängig voneinander zu regulieren.
Nach der Aufnahme von kohlenhydratreichen Mahlzeiten kommt es innerhalb einer Stunde zu einem relativ raschen und steilen Anstieg des Blutzuckers. Die Höhe dieses Blutzuckeranstiegs, den ein bestimmtes Lebensmittel auslöst, wird als glykämischer Index (GI) bezeichnet. Je höher der glykämische Index eines Nahrungsmittels, desto stärker steigt der Blutzuckerspiegel an. Traubenzucker (Glucose) löst die höchste Blutzuckerspiegel- Konzentration aus und wird als Referenzwert (100 GI) herangezogen.
Lebensmittel mit einem niedrigen glykämischen Index sind besonders günstig, da sie ein starkes „Auf“ und „Ab“ des Blutzuckerspiegels verhindern, den Blutzucker langsam ansteigen lassen und damit länger sättigen. Der Körper braucht weniger Insulin, um die Zellen mit Energie zu versorgen. Wird weniger Insulin verbraucht, so sinkt auch das Risiko an Diabetes mellitus zu erkranken.
Kohlenhydrate wie Reis, Kartoffeln, Brot, Gemüse allein sind keine „Dickmacher“. Es sei denn, sie werden in Kombination mit Zucker und Fett durch entsprechende Zubereitung (fetthaltige Aufstriche, paniertes Gemüse, frittierte Pommes frites…) zu Kalorienbomben. Generell sollte man z.B. Trockenobst und zuckerhaltige Limonaden und Speisen nur in Maßen genießen. Das gilt auch für Produkte mit Fruchtzucker (Fructose). Ein Gramm Fruchtzucker liefert genauso viel Kalorien wie ein Gramm weißer Zucker und führte im Übermaß in Studien zudem noch zu rascherer Leberverfettung!
Apropos Kalorien: Neben dem sofortigen Verbrauch in den Körperzellen wird die zugeführte Energie wie bereits erwähnt in „Depots“ in Leber und Muskulatur in Form von Glykogen gespeichert. Aber diese Speicher sind begrenzt. Was darüber hinausgeht, wird in Fettgewebe umgewandelt.
Die Stoffwechselrate des menschlichen Körpers sinkt nach dem 30. Lebensjahr um fast 2 Prozent pro Jahrzehnt. Veränderungen in der Körperzusammensetzung, einschließlich reduzierter fettfreier Muskelmasse, sind hauptsächlich für diesen Rückgang verantwortlich. Der dramatischste Verlust an Muskelmasse und der daraus resultierende Rückgang der Stoffwechselrate tritt zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf. Der Verlust von Muskelmasse ist gleichbedeutend mit verminderter Kraft, was Senioren tendenziell daran hindert, sich ausreichend körperlich zu betätigen. Dies führt zu einem positiven Rückkopplungssystem, bei dem die reduzierte, körperliche Aktivität zu noch mehr Muskelabbau führt, was den Stoffwechsel weiter reduziert.
Es gibt einige Dinge, die man tun kann, um einem allgemeinen Rückgang des Stoffwechsels vorzubeugen und der Natur dieses Rückgangs entgegenzuwirken. Dazu gehören: frühstücken, häufig kleine Mahlzeiten essen, viel mageres Eiweiß zu sich nehmen, Wasser trinken, um hydriert zu bleiben, Sport treiben (einschließlich Krafttraining) und genügend Schlaf bekommen. Diese Maßnahmen können helfen, ein Absinken des Energieniveaus zu verhindern und den Drang nach erhöhtem Kalorienverbrauch durch übermäßiges Naschen zu zügeln. Diese Strategien sind zwar keine Garantie dafür, den Stoffwechsel aufrechtzuerhalten, aber sie helfen, Muskelabbau zu verhindern und können das Energieniveau erhöhen.
Einige Experten empfehlen auch, Zucker zu meiden, da dieser zu übermäßiger Fetteinlagerung führen kann. Gewürzte Lebensmittel und grüner Tee können ebenfalls von Vorteil sein. Da Stress die Ausschüttung von Cortisol aktiviert und Cortisol den Stoffwechsel – vor allem den Zuckerstoffwechsel – verlangsamt, kann die Vermeidung von Stress oder zumindest das Üben von Entspannungstechniken ebenfalls helfen.
Text-Quellen:
(1) Burgsteins Handbuch Mikronährstoffe, M. Zimmermann, Haug Verlag, 11. Auflage, Stuttgart, 2007
(2) Mikronährstoffe, U. Gröber, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 3. Auflage, Stuttgart, 2011
(3) Ernährungsmedizin, K. Widhalm, Deutscher Ärzte Verlag, 3. Auflage, Köln, 2009
(4) Sluijs et al.: Dietary glycemic index, glycemic load and the risk of type 2 diabetes. In: Journal Nutrition 2013; 143:93-99
Bild-Quelle:
(6) https://www.freepik.com/free-vector/woman-thinking-healthy-unhealthy-snacks-choice_13146722.htm?query=carbohydrates