Die Schilddrüse – klein und unscheinbar, doch mit weitaus unterschätztem Einfluss auf unseren gesamten Körper. Das schmetterlingsförmige Organ produziert Hormone, die wie das „Gaspedal“ unseres Stoffwechsels wirken. Bei einem zu viel an Hormonen laufen Körper und Seele „übertourig“, bei einem zu wenig entsprechend „untertourig“ und verlangsamt ab. Erkrankungen der Schilddrüse sind ausgesprochen häufig und können in jedem Lebensalter auftreten. Da sich Störungen der Schilddrüse sehr unspezifisch und schleichend entwickeln, bleiben sie oft lange Zeit unerkannt und untherapiert. Bei etwa jedem dritten Erwachsenen in Deutschland bildet sich im Laufe des Lebens mindestens eine krankhafte Schilddrüsenveränderung – mit steigender Häufigkeit im Alter.
Als Hormondrüse nimmt die Schilddrüse eine wichtige Steuerungsfunktion im menschlichen Körper ein. Hormone sind wichtige Botenstoffe, die andere Organe beeinflussen und regulieren können.
Unter dem Begriff Schilddrüsenhormone werden die zwei wichtigsten Hormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) zusammengefasst. Die Zahlen 3 und 4 stehen für die Anzahl der Jodatome, die in den Hormonen enthalten sind. Das Thyroxin besitzt vier Jod-Atome (T4), das Trijodthyronin entsprechend nur drei (T3). Durch Abspaltung eines Jod-Atoms kann im Körper aus dem weniger wirksamen T4 das kurzlebigere, aber wirkungsstärkere Hormon T3 gebildet werden.
Beide Hormone – T3 und T4 – wirken auf Herz und Kreislauf, erweitern die Blutgefäße, beschleunigen den Herzschlag und regeln den Blutdruck. Sie aktivieren aber auch den Fett– und Bindegewebsstoffwechsel, die Schweiß– und Talgdrüsenproduktion der Haut und die Nieren- und Darmtätigkeit. Außerdem sind die Schilddrüsenhormone wesentlich für viele Wachstumsprozesse verantwortlich und steigern den Grundumsatz und Energieverbrauch des gesamten Organismus. Schilddrüsenhormone wirken vor allem auf:
Die Schilddrüse ist in einen komplizierten hormonellen Regelkreis eingebunden, der die Hormonausschüttung normalerweise im Gleichgewicht hält und an den täglichen Bedarf anpasst.
Eine gesunde Schilddrüse produziert pro Tag etwa 80 bis 100 Mikrogramm T4 und 10 bis 50 Mikrogramm T3. Wann und in welcher Menge die Schilddrüse die eingespeicherten Hormone dem Körper zur Verfügung stellt, wird vom Gehirn gesteuert. Von dort kann die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut gemessen und die Schilddrüse in ihrer Produktion entsprechend angekurbelt oder gebremst werden. Durch diesen normalerweise gut funktionierenden Regelkreis kann der Hormonspiegel an den aktuellen Bedarf angepasst werden. Einen regelrechten Spiegel an Schilddrüsenhormon im Blut bezeichnet man als Euthyreose, einen zu hohen Spiegel als Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) und einen zu niedrigen Spiegel als Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion).
Die Schilddrüsenhormone regulieren den gesamten Stoffwechsel – und damit auch den Grundumsatz der Zellen. Sie fördern die Erzeugung von Wärme als Reaktion auf Kälte, stimulieren die Kohlenhydratverwertung und den Fettstoffwechsel. Bei einem Mangel – also einer Schilddrüsenunterfunktion – sind alle Stoffwechselvorgänge verlangsamt, der Grundumsatz in den Zellen und somit auch der Energiebedarf sinken. Dies wirkt sich nicht nur auf die Leistungsfähigkeit, das Herz-Kreislauf-System, den Magen-Darm-Trakt, das Nervensystem sowie die Fruchtbarkeit, sondern auch auf das Gewicht aus. Ist der Grundumsatz plötzlich verringert, steigt das Körpergewicht, obwohl sich an den Essgewohnheiten nichts ändert. Der Körper benötigt weniger Energie als bei einem normalen Schilddrüsenhormonspiegel. Diese Gewichtszunahme ist hauptsächlich auf Wassereinlagerungen zurückzuführen und steht nicht im Zusammenhang mit einer Zunahme der Fettmasse. Hinzu kommen eine langsamere Verdauung mit oft chronischer Verstopfung und zunehmende Hungergefühle. Etwa 1 bis 2 von 200 Menschen sind von einer Unterfunktion der Schilddrüse betroffen, Frauen häufiger als Männer.
Umgekehrt kommt es bei einer schweren Schilddrüsenüberfunktion durch den gesteigerten Energieverbrauch häufig zu einem Gewichtsverlust; ein Effekt der prinzipiell auch zur gewünschten Gewichtsabnahme genutzt werden kann, indem z.B. in illegalen Pillen zur Gewichtsabnahme auch synthetisches Schilddrüsenhormon enthalten ist und damit eine künstliche Schilddrüsenüberfunktion herbeigeführt wird. Wegen der damit einhergehenden Risiken seitens des Herz-Kreislauf– oder Nervensystems ist von einer Gewichtsreduktion mit Hilfe von Schilddrüsenhormonen allerdings strikt abzuraten.
Die Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion sind sehr unspezifisch und werden in vielen Fällen falsch gedeutet oder übersehen. Müdigkeit, Muskelschwäche, dünner werdendes Haar, unklare Gewichtszunahme und trockene Haut sind typische Zeichen.
Kein Jod, kein Schilddrüsenhormon. Jod ist der Grundstoff für die Produktion der Schilddrüsenhormone. Da der menschliche Körper Jod nicht selbst herstellen und auch nur sehr begrenzt speichern kann, zählt Jod zu den essentiellen Spurenelementen und muss regelmäßig mit der Nahrung aufgenommen werden. Es gelangt über den Magen-Darm-Trakt ins Blut und von dort aktiv in die Schilddrüse. In der Schilddrüse werden bis zu 80 Prozent des täglich aufgenommenen Jods verbraucht.
Um genügend Schilddrüsenhormone bilden zu können, liegt der tägliche Jodbedarf für Erwachsene bei etwa 150 bis 200 Mikrogramm. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. hat je nach Alter und Geschlecht einer Person bestimmte Empfehlungen der Jodzufuhr formuliert. Der tägliche Jodbedarf beträgt etwa 200 Mikrogramm. Bei einem täglichen Verbrauch von 5 g Kochsalz liefert jodiertes Speisesalz 75–125 µg Jod. Vor allem Fisch, Algen, Milch– und Sojaprodukte zählen zu den jodreichsten Lebensmitteln (Auflistung siehe Grafik, S. 12 https://schilddrueseninstitut.at/Jodbroschuere.pdf ).
Deutschland zählt zu den jodärmsten Regionen Europas. Vor Tausenden von Jahren schwemmte die Gletscherschmelze das Spurenelement fort. Bis heute kommt Jod nur in sehr geringen Mengen in unseren Böden, Acker– und Weideflächen sowie im Trinkwasser vor und fehlt somit größtenteils in der tierischen und menschlichen Nahrung. Zwar hat sich die Jodversorgung der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten stark verbessert. Die Jodaufnahme hat sich gegenüber 1975 nahezu verdoppelt, vor allem Neugeborene und Kinder haben heutzutage einen ausgeglichenen Jodhaushalt. Doch gehen Experten davon aus, dass mindestens ein Drittel wenn nicht gar die Hälfte der deutschen Bevölkerung nach wie vor nicht optimal mit Jod versorgt ist. Das tägliche Defizit liegt bei schätzungsweise einem Drittel der Menge Jod, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt.
Da ein Großteil der Gewichtszunahme bei einer Schilddrüsenunterfunktion auf die Ansammlung von Salz und Wasser zurückzuführen ist, kann man bei der Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion mit einem geringen Gewichtsverlust (in der Regel weniger als 10 % des Körpergewichts) rechnen. Durch die Behandlung mit Schilddrüsenhormonen sollte mit einer Rückkehr des ursprünglichen Körpergewichts zu rechnen sein. Da sich die Hypothyreose jedoch in der Regel über einen langen Zeitraum entwickelt, ist es ziemlich häufig, dass nach einer erfolgreichen Behandlung der Hypothyreose kein signifikanter Gewichtsverlust zu verzeichnen ist. Auch hier gilt: Wenn alle anderen Symptome der Hypothyreose, mit Ausnahme der Gewichtszunahme, durch die Behandlung mit Schilddrüsenhormonen behoben sind, ist es weniger wahrscheinlich, dass die Gewichtszunahme ausschließlich auf die Schilddrüse zurückzuführen ist. Sobald die Schilddrüsenunterfunktion behandelt wurde und der Schilddrüsenhormonspiegel wieder im Normalbereich liegt, ist die Fähigkeit zur Gewichtszunahme oder -abnahme die gleiche wie bei Personen, die keine Schilddrüsenprobleme haben.
Schilddrüsenhormone wurden in der Vergangenheit als Mittel zur Gewichtsabnahme eingesetzt. Viele Studien haben gezeigt, dass eine Behandlung mit überschüssigen Schilddrüsenhormonen zu einem stärkeren Gewichtsverlust führen kann, als dies durch eine Diät allein erreicht werden kann. Sobald der Schilddrüsenhormonüberschuss jedoch abgesetzt wird, wird der übermäßige Gewichtsverlust in der Regel wieder erreicht. Darüber hinaus kann die Einnahme von Schilddrüsenhormonen zur Unterstützung der Gewichtsabnahme erhebliche negative Folgen haben, wie z. B. den Verlust von Muskeleiweiß zusätzlich zu einem eventuellen Verlust von Körperfett. Eine Erhöhung der Schilddrüsenhormon-Dosis führt wahrscheinlich nicht zu einer signifikanten Gewichtsveränderung und kann zu anderen Stoffwechselproblemen führen.
Text-Quellen:
(1) Ríos-Prego, M., Anibarro, L., & Sánchez-Sobrino, P. (2019). Relationship between thyroid dysfunction and body weight: a not so evident paradigm. International journal of general medicine, 12, 299–304. https://doi.org/10.2147/IJGM.S206983
(2) https://www.btf-thyroid.org/thyroid-and-weight-the-science
(3) https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/
Bild-Quellen:
(4) https://www.freepik.com/free-photo/salt-wooden-spoon-place-floor_11996029.htm#page=2&query=salt&position=42