Wusstet ihr, dass unser Darm fast 2 Kilogramm Bakterien, zig Billionen Mikroorganismen und über 1.000 verschiedene Bakterienarten mit mehr als drei Millionen Genen beherbergt? Unglaubliche 30 Tonnen Lebensmittel muss der Darm im Laufe unseres Lebens bewältigen. Um dieses unglaubliche Pensum zu schaffen, hat das Superorgan erstaunliche Strategien entwickelt. Er ist ein riesiges Ökosystem aus Mikroben und Bakterien, das auch als Darmmikrobiom bekannt ist. Vielfältig und sich ständig weiterentwickelnd, ist der Darm samt Mikrobiom für viel mehr als nur die Verdauung verantwortlich.
In den letzten Jahren haben immer mehr Studien gezeigt, dass der Darm eine zentrale Rolle für das allgemeine Wohlbefinden, ein gesundes Immunsystem und sogar die Beeinflussung des Risikos für Krankheiten und Fettleibigkeit spielt.
5 Facts-to-go kurz & knapp für Dich zusammengefasst!
Der Darminhalt eines Embryos im Mutterleib ist noch völlig steril – bis zur Geburt lebt kein einziges Bakterium im Darm. Doch schon während der Geburt im Geburtskanal gelangen die ersten Bakterien über den Mund des Neugeborenen in dessen Körper – und vermehren sich dort rasant. Welche Darmbakterien das sind, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: Ist es eine natürliche Geburt oder ein Kaiserschnitt? Wird das Baby gestillt oder mit der Flasche aufgezogen? Schon banale Umstände wie diese beeinflussen die Art der Bakterien, die den Darm lebenslang besiedeln.
Im ersten Moment eklig, aber einen Haufen Bakterien im Bauch zu haben ist tatsächlich lebenswichtig, um schädliche Krankheitserreger und „schlechte“ Bakterien in Schach zu halten. Antibiotika, Medikamente und Probiotika sowie Veränderungen in unserer Ernährung können dieses empfindliche Gleichgewicht unseres Mikrobioms stören, was zu einer Überbesiedelung mit Krankheitserregern, einer erhöhten Infektanfälligkeit und Entzündungsneigung im gesamten Körper führen kann.
Neuere Studien deuten darauf hin, dass unsere tägliche Nahrungsaufnahme tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf das Gleichgewicht unseres Darmmikrobioms und seine Gesamtfunktion hat. In einer an der Harvard University durchgeführten Studie wurden Diabetiker fünf Tage lang entweder pflanzlich (mit Vollkorngetreideprodukten, Hülsenfrüchten und Gemüse) oder tierisch (zusätzlich Fleisch und Käse) ernährt. Die Studie ergab, dass das Darmmikrobiom bereits auf eine so kurzfristig veränderte Ernährung reagierte. Die Studie zeigte auch, dass die Ernährung auf tierischer Basis das Wachstum bestimmter Darmbakterien erhöhte und die Entstehung von entzündlichen Darmerkrankungen förderte.
In einer separaten Studie, die in der Zeitschrift Nutrients veröffentlicht wurde, führten Forscher ein Experiment an Mäusen durch, um die Wirkung einer bestimmten Diät auf ihr Darmmikrobiom zu beurteilen. Die Mäuse wurden zunächst mit einer fettreduzierten Diät auf pflanzlicher Basis gefüttert und dann auf eine „westliche“ Ernährung mit hohem Fett- und Zuckergehalt umgestellt. Die Forscher stellten in ihren Experimenten wichtige Veränderungen in der Darmpopulation fest, wie z.B. das Fehlen von Bakterien, die die Darmbarriere schützen.
Eine intakte Darmbarriere ist für den Schutz vor „Eindringlingen“ essentiell und damit sozusagen Teil unserer Immunabwehr. Gleichzeitig zeigte die Studie auch, dass eine ballaststoffreiche vegetarische Ernährung die Zusammensetzung der Darmbakterien und das Darmmilieu soweit veränderte, dass das Wachstum „schlechter“ Bakterien eingedämmt werden konnte.
Immer mehr Beweise deuten darauf hin, dass ein Ungleichgewicht des Darmmikrobioms mit schuld an der Entstehung bestimmter Krankheiten sein kann, die in den letzten zwei Jahrzehnten gehäuft aufgetreten sind – darunter Typ-1– und Typ-2-Diabetes, Asthma, Darmkrebs, entzündliche Darmerkrankungen und sogar Fettleibigkeit. In einem Artikel, der in der Zeitschrift Molecular Aspects of Medicine veröffentlicht wurde, untersuchten Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom, Fettleibigkeit und Insulinresistenz. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Zusammensetzung unseres Mikrobioms tatsächlich Funktionen wie Nahrungsaufnahme, Energiegewinnung, Energieverbrauch und Fettspeicherung beeinflusst.
In einer anderen Studie fanden Forscher einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und der Entwicklung von Körperfett, Insulinresistenz und unterschwelligen Entzündungen, die alle gemeinsame Merkmale der Adipositas sind.
Obwohl die auf diesem Gebiet durchgeführte Forschung vielversprechend ist, sind viele Fragen noch offen. Eine Fehlbesiedelung unseres Darms zu verhindern ist jedoch der Schlüssel zur Aufrechterhaltung eines optimal funktionierenden Verdauungs– und gesunden Immunsystems. Dies lässt sich leicht durch eine ausgewogene Ernährung erreichen, die reich an frischem Gemüse und begrenzt an verarbeiteten Lebensmitteln ist. Wer gleichzeitig noch tierische Produkte und Nebenprodukte sowie raffinierten Zucker einschränkt, fördert seine Darm- und Allgemeingesundheit nachhaltig. Hierfür muss nicht von heute auf morgen gänzlich auf Fleisch verzichtet werden. Den Fleisch– und Tierproduktkonsum nach und nach zu reduzieren ist für die meisten viel leichter und dauerhafter umzusetzen (zum Beispiel mit „fleischlosen“ Wochentage, die langsam erhöht werden).
Text-Quellen:
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