Obwohl sich der Darm in unserem Körper befindet, stellt er mit rund 400 m2 die größte Kontaktfläche des Körpers zur Außenwelt dar. Die wichtigsten Funktionen des Darms sind die Nährstoffaufnahme und –ausscheidung, die immunologische Funktion darf jedoch nicht unterschätzt werden und ist noch weitestgehend unerforscht. 80% unserer Immunzellen befinden sich im Darm und fungieren quasi als Grenzkontrolle an dieser großen Kontaktfläche nach außen. Unentbehrlich für eine intakte Funktion des „Immunsystems des Darms“ ist eine unversehrte Darmbarriere. Sie trägt dazu bei, dass unser Körper von der Außenwelt geschützt ist und besteht aus drei Schichten: der Darmschleimhaut, dem Darmschleim und einer dicken Bakterienschicht – dem Mikrobiom.
Die Inzidenz entzündlicher Darmerkrankungen (englische Abkürzung IBDs) hat in den letzten Jahrzehnten weltweit alarmierend zugenommen. An der Entstehung von IBDs sind genetische Anlagen aber auch diverse Umweltfaktoren beteiligt. Die Ernährung ist Risikofaktor Nummer eins für Ausbruch und Schwere von entzündlichen Darmerkrankungen. Eine ungünstige Ernährung kann Entzündungen im Darm fördern, indem sie das Mikrobiom stört, die Darmdurchlässigkeit sowie die Schleimschicht verändert und durch das erleichterte Eindringen von Erregern eine überschießende Immunreaktion auslöst. Gezielte Ernährungsumstellungen werden daher heutzutage immer in therapeutische Strategien miteinbezogen.
Darmkrebs wurde als dritthäufigste krebsbedingte Todesursache identifiziert. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass es bis 2030 weltweit 27 Millionen neue Fälle von Darmkrebs und 17 Millionen Todesfälle aufgrund von Darmkrebs geben wird. Die Ursachen von Darmkrebs sind vielfältig und umfassen sowohl genetische als auch Lebensstil-Faktoren, die Veränderungen der Darmbarriere verursachen können. Man weiß, dass eine langfristige Entzündungssituation im Darm ein erhöhtes Entartungsrisiko von Darmzellen mit sich bringt, was letztlich zur Entstehung von Darmkrebs führen kann.
Emulgatoren wie Sojalecithin werden Eis, Schokolade, Margarine oder Brot zugesetzt, um deren Konsistenz zu verbessern. Der Immunologe Andrew Gewirtz von der Georgia State University in Atlanta stellte sich die Frage, welche Lebensmittel, die Menschen tagtäglich essen, bei der Entstehung von Darmentzündungen eine Rolle spielen. Seine kürzlich veröffentlichte Studie legt den Schluss nahe, dass Emulgatoren die Darmflora stören und zur Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen beitragen können. Im Mausversuch führten Emulgatoren dazu, dass die Mäuse mehr gefressen haben, an Gewicht in Form von Fettgewebe zunahmen und sich deren Darmflora negativ veränderte, wodurch Entzündungen wahrscheinlicher wurden.
Zusatzstoffe wie Carrageen, welches oft als Geliermittel zum Einsatz kommt, sowie Carboxymethylcellulosen, die häufig und ohne Höchstmengenbeschränkung in industriell verarbeiteten Lebensmitteln (vor allem Süßwaren, Cremes, Desserts) verwendet werden, haben sich ebenfalls als schädlich für ein intaktes Mikrobiom erwiesen. Auch hier gilt ein erhöhtes Risiko für entzündliche Darmerkrankungen. Deswegen: besser Finger weg von Industrienahrung!
Hafer ist aufgrund seiner Zusammensetzung aus bioaktiven Verbindungen, Lipiden, β–Glucanen und Ballaststoffen einzigartig nahrhaft. Vor allem die enthaltenen Sterole, der lösliche Ballaststoffanteil von β-Glucan, und bioaktive Verbindungen wie Ferulasäure, Avenacosylate, Avenacine und Avenanthramide haben eine positive Wirkung auf das Mikrobiom. In unverarbeiteter Form hilft Hafer, das Mikrobiom zum Positiven zu verändern. Wissenschaftliche Forschungen ergaben, dass Hafer den Cholesterinspiegel senkt, die Sättigung reguliert und vor Krebsentstehung im Dickdarm schützen kann.
Haferkleie aus dem Haferkern wirkt besonders entzündungshemmend und damit positiv bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Reizdarm. Die effektive (wirksame) Dosis von Hafer variiert je nach Sorte und enthaltener Menge an Beta-Glucanen. Etwa 2,5 bis 2,9 g β–Glucan pro Tag kann nachweislich den pH-Wert des Stuhls senken, die Darmbakterien verändern sowie deren Anzahl erhöhen. Diese Menge ist in etwa in 40 bis 100 g Haferkleie enthalten. Haferflockenbrei mit Zimt, Nussmus und Körnern sind eine schnelle und leckere Möglichkeit, gesund und darmfreundlich in den Tag zu starten.
Studien sehen die Rote Beete als gute Nitrat–Quelle und damit als Wachstumsmotor für „gute“ Bakterien, die „schlechte“ Bakterien abwehren. Die positive Wirkung erklärt sich durch die Hemmung von sogenannten Imidazol-Propionaten. Diese chemische Verbindungen stehen in Verdacht, das Wachstum schädlicher Zellen (z.B. Krebszellen) zu begünstigen. Rote Beete hat also das Zeug zur körpereigenen Krebsabwehr.
Der tägliche Rotweinkonsum wurde mit vielen gesundheitlichen Vorteilen in Verbindung gebracht. Wissenschaftler fanden heraus, dass der Genuss von Rotwein die Anzahl der gesunden Darmbakterien erhöht. Dies führe zu einer verbesserten Verdauung, einem niedrigeren Cholesterinspiegel und der Stärkung des Immunsystems. Auf den Alkohol ist dieser positive Effekt allerdings nicht zurückzuführen.
Bei anderen alkoholischen Getränken konnten die Forscher keine positive Wirkung auf die Darmgesundheit feststellen. Grund für die heilende Wirkung des Rotweins: Die im Traubensaft enthaltenen Polyphenole, die auch in Obst und Gemüse enthalten sind und reichlich Antioxidantien mit sich bringen. Die Studie konnte bisher lediglich einen Zusammenhang zwischen Rotweingenuss und verbesserter Darmflora herstellen– der genaue Grund für die positiven Effekte ist allerdings nicht erforscht.
Beeren können positive Auswirkungen auf das Darmmikrobiom haben. Vor allem Beeren mit hohem Ellagitanningehalt (100 g Erdbeerpüree, gefrorene Himbeeren oder gefrorene Moltebeeren) können das Vorkommen von speziellen „guten“ Darmbakterien wie Ruminococcaceae und Lachnospiracea erhöhen. Außerdem können Beeren bei bakteriellen Durchfallerkrankungen helfen: 60.185 isolierte Beeren-Polyphenole schwächen nachweislich Salmonellen, indem sie die Durchlässigkeit ihrer äußeren Membran erhöhen und zum Absterben der Bakterien führen.
Die Vorstellung, dass ein hoher pH–Wert im Dickdarm Darmkrebs begünstigt, indem er die Zerstörung von guten Darmbakterien fördert, wurde Anfang der 1980er Jahre etabliert. Es konnte gezeigt werden, dass Personen mit einem hohen Darmkrebsrisiko einen höheren pH-Wert im Stuhl hatten als Personen mit einem niedrigeren Darmkrebsrisiko. Obwohl nur wenige Studien speziell für Hafer und andere Vollkorngetreide verfügbar sind, wird allgemein vermutet, dass einige Ballaststoffe das Wachstum von nützlichen Bakterien stimulieren und bei der Fermentation im Darm nützliche Nebenprodukte wie SCFAs produzieren, die wiederum den pH–Wert senken.
Die Rolle der Darmmikrobiota für die menschliche Gesundheit und Krankheiten bleibt ein sich entwickelndes Forschungsgebiet, wobei die aktuelle Wissenschaft darauf hinweist, dass die Mikroorganismen im Darm eine immense Rolle bei Krankheiten wie Darmkrebs, Diabetes und Fettleibigkeit spielen könnten. Auch die Ernährung spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung einer gesunden Darmmikrobiota, doch ist die Untersuchung, wie einzelne Ballaststoffe und andere Bestandteile von Lebensmitteln die Darmmikrobiota beeinflussen oft schwierig. Bestimmte Nahrungsmittel, wie Vollkornhafer, sind jedoch einzigartig, weil sie Komponenten enthalten, die, sobald sie verstoffwechselt werden, die Darmmikrobiota günstig beeinflussen.
Veränderungen in der Zusammensetzung oder Funktion des Darmmikrobioms können tiefgreifende, negative wie auch positive Folgen für den Menschen haben. Ein verändertes Mikrobiom, das mit einer Krankheit assoziiert ist, wird oft als Dysbiose bezeichnet. Ob Dysbiose die Ursache einer Krankheit oder der Effekt der Krankheit ist, ist in den meisten Fällen nur unzureichend verstanden und erfordert weitere Studien, um Ursache und Effekt zu bestimmen.
Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass keine zwei Personen das gleiche Mikrobiom teilen, auch nicht eineiige Zwillinge. Tatsächlich haben gesunde Personen mit ähnlichem Alter und ähnlicher Demographie sehr unterschiedliche Darmmikrobiomprofile. Dies hat die bisherigen Versuche, zu definieren, wie ein „gesundes“ Mikrobiom aussieht, zunichte gemacht. Im Allgemeinen wird jedoch angenommen, dass ein Reichtum an verschiedensten Darmbakterien zusammen mit dem Fehlen krankheitserregender, „böser“ Arten ein Zeichen für einen „gesunden“ Darm ist.
Allgemein gilt, je vielfältiger die Ernährung und je besser die Lebensmittelqualität, desto vielfältiger die Zusammensetzung des Darmmikrobioms. Dies gilt insbesondere für pflanzliche Lebensmittel, die verschiedene Arten von Ballaststoffen enthalten; je vielfältiger die Ballaststoffe, desto vielfältiger die Mikrobiota. Bei Senioren wurde der Verlust an Vielfalt und Qualität der Ernährung nach dem Übergang in die Heimpflege mit Gebrechlichkeit, Entzündungen und schlechterer Lebenserwartung in Verbindung gebracht. Deshalb gilt: wer alt werden will, muss früh mit guter Ernährung anfangen, und im Alter nicht damit aufhören!
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Bild-Quellen
(10) https://www.freepik.com/free-photo/raw-barley-grain-old-dark-background_13013486.htm